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Ein Jahr Digitale Trauerfeier: Im Gespräch mit Gründerin Simone May

Die Digitale Trauerfeier feiert im Januar 2022 ihr einjähriges Bestehen. Eine gute Gelegenheit um mit Gründerin Simone May über ihre Erfahrungen, ihre Visionen sowie ihre Motivation mit der Digitalen Trauerfeier zu sprechen und weitere spannende Einblicke zu geben.

Interview mit Simone May zur Digitalen Trauerfeier

Eine kleine Selbstvorstellung am Anfang. Wer bist du und was machst du?

Ich bin Simone May und Gründerin, ausgebildete Trauerrednerin sowie Geschäftsführerin der Digitalen Trauerfeier. Als Diplom-Kommunikationswirtin bin ich seit 2001 als Unternehmensberaterin und Coach tätig.

Das Bestattungsgewerbe habe ich bereits früh als Kind erlebt. Mein Großvater war ein Sargschreiner. Durch meine langjährige Tätigkeit als Coach bin ich es gewohnt, Menschen in traurigen, schwierigen Lebenssituationen zu begleiten, zu unterstützen und zu helfen, neue Perspektiven zu finden.

Hinter jedem Erfolg steckt eine Vision. Wie bist du auf die Idee zur Gründung der Digitalen Trauerfeier gekommen?

Die Idee zur digitalen Trauerfeier entstand im Herbst 2020. Durch den Corona-bedingten Frühjahrs-Lockdown haben einige meiner Freunde und Bekannte nicht so Abschied nehmen können, wie sie das gerne getan hätten. Die Vorgaben zum sogenannten kleinen Kreis haben den Verlust noch trauriger gemacht, als er eh schon war. Trauerfeiern fanden, weil das so vorgegeben war, mit nur sehr wenigen Gästen statt. Der so wichtige gegenseitige Halt der Hinterbliebenen fehlte dabei.

Das Lebensende ist ein einzigartiges Lebensereignis, das unwiderruflich ist. Trauerfeiern sind wichtige Rituale im Leben eines jeden Menschen. Und jeder Mensch hat einen schönen Abschied verdient. Mit unserem Angebot möchte ich den Hinterbliebenen die Möglichkeit geben, gemeinsam würdevoll und feierlich Abschied zu nehmen. Durch das digitale Format können alle dabei sein. Sie können sich, wie bei einem Trauercafé, online wieder sehen, Erinnerungen teilen und sich gegenseitig unterstützen.

Blicken wir mal genauer zurück. Welches Highlight fällt dir spontan ein und worauf bist du besonders stolz?

Besonders berührt hat mich, dass wir mit der Digitalen Trauerfeier schon Menschen aus verschiedenen Kontinenten und Zeitzonen zusammenbringen konnten. Bei einer Trauerfeier hatte ich als Moderatorin Gäste, die Deutsch, Englisch, Französisch, Niederländisch, Spanisch und Japanisch sprachen. Durch das digitale Format und meine zweisprachige Moderation konnten alle Hinterbliebenen ihre Erinnerungen teilen und für einander da sein.

Neue Ideen umzusetzen, heißt auch dazu zu lernen: Was hat sich in Zusammenhang mit der Digitalen Trauerfeier verändert?

Bestatter haben inzwischen erkannt, dass sie Lösungen anbieten müssen für Menschen, die verstreut leben und aus verschieden Gründen nicht an der Trauerfeier nehmen können. Einige Bestatter sind dazu übergegangen mit dem Handy oder einer Amateurausstattung Trauerfeiern zu filmen.

Hier unterscheiden wir uns mit unserem Angebot. Einerseits ermöglichen wir mit professionell ausgestatteter Technik eine hochwertige Dokumentation oder auf Wunsch einen Livestream der analogen Trauerfeier. Anderseits steht die filmische Begleitung selbst nicht im Mittelpunkt der Digitalen Trauerfeier. Vielmehr konzentrieren wir uns mit unserem Angebot auf den Austausch der Trauergemeinde untereinander, also das virtuelle Trauercafé.

Das „reine Abfilmen“ von Beerdigungen hat etwas Voyeuristisches und Beobachtendes. Das ist das Gegenteil von dem, was wir möchten. Wir setzen uns dafür ein, dass die Gäste bei der Trauerfeier aktiv teilnehmen. Durch die Homeoffice-Situation haben sich viele Menschen inzwischen daran gewöhnt, sich miteinander digital auszutauschen. So schaffen wir mit dem digitalen Trauercafé einen guten Rahmen für den Abschied. Durch unser Team professionell erstellte Livestreams der analogen Bestattung können auf Wunsch in die digitale Trauerfeier eingebunden werden, sind aber nur eine Option unseres Gesamtangebots.

Konkurrenz gibt es überall. Wo liegt bei der Digitalen Trauerfeier das Alleinstellungsmerkmal und was unterscheidet diese von anderen Geschäftsideen in diesem Bereich?

Das Hauptaugenmerk unserer Digitalen Trauerfeier liegt auf der Feier selbst. Wir wollen den Hinterbliebenen gemeinsam einen würdevollen Abschied im moderierten Trauercafé ermöglichen.  Die Digitale Trauerfeier bildet somit ein eigenes Format. Sie kann zeitversetzt und ortsunabhängig von der analogen Trauerfeier stattfinden, also zum Beispiel auch erst am Tag nach der Beisetzung. Oder ganz unabhängig von der Bestattung im engsten familiären Kreis als Trauerfeier, die der Verein oder der ehemalige Arbeitgeber des Verstorbenen ausrichtet.

Hürden gibt es überall: Was waren deine größten Hürden, als du mit Digitale Trauerfeier gestartet bist?

Die größte Hürde am Anfang war tatsächlich ein funktionierendes Netzwerk, insbesondere zu Bestattungsunternehmen, aufzubauen.  Viele Bestatter:innen zeigten sich digitalen Lösungen gegenüber sehr verhalten. Oftmals fehlte zudem die Offenheit, sich mit einem neuen Angebot zu beschäftigen.

Erfreulicherweise beobachte ich inzwischen aber auch, dass sich ein Generationenwechsel in der Branche vollzieht. Hier hat sich im vergangenen Jahr bereits einiges getan. Unser Bestatter-Netzwerk wächst und das freut mich sehr. Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

Nicht jeder ist sein eigener Held. Hast du ein Vorbild, welches dich in deinem Leben inspiriert und motiviert?

Für mich sind stets jene Menschen Vorbilder, die sich für das Thema Mensch-Sein und Inklusion im weitesten Sinne einsetzen. Es sind Menschen, die die Beteiligung aller Menschen am Leben ermöglichen möchten, wie z. B. John F. Kennedy, Rosa Luxemburg oder Nelson Mandela. Diese Menschen haben sich ihr ganzes Leben für Frieden und Menschenrechte stark gemacht. Sie sind ihrem Herz, ihrer Seele und ihren Werten gefolgt und sich treu geblieben. Ihr Wunsch und Lebensmotor war bis zuletzt, allen Menschen ein Leben zu ermöglichen, an dem jede/r teilhaben kann, ohne Angst, ohne Ausgrenzung und mit denselben Rechten.

Jeder Gründung liegt ein Ziel vor Augen: Welches Ziel verfolgst du mit Digitale Trauerfeier?

Ich möchte, dass bei einer Trauerfeier alle dabei sein können, die dabei sein möchten, um Abschied zu nehmen. Mit der Digitalen Trauerfeier biete ich eine moderierte Videokonferenz an, die losgelöst von Entfernungen, Regelungen und Reisebeschränkungen oder gesundheitlichen Problemen sicher stattfinden kann. Darüber hinaus ist die digitale Trauerfeier nachhaltig, da wir eine Videodokumentation erstellen, die sich die Hinterbliebenen später nochmals ansehen können.

Trost und Halt in schweren Zeiten: Welche Rolle spielt dein Netzwerk bei der Digitalen Trauerfeier?

Ich bin Mitglied im Bundesverband Bestattungsbedarf e. V., im Verband unabhängiger Bestatter sowie bei Aeternitas e.V. Der fachliche Austausch und die Insiderinformationen aus der Bestattungsbranche finde ich sehr hilfreich, um unser Angebot kontinuierlich weiterzuentwickeln und marktgerecht anzubieten.

Außerdem gehöre ich zum Bohana Netzwerk in dem verschiedene Dienstleister:innen rund um Trauerbegleitung verbunden sind wie z. B. Trauerredner:innen, Bestatter:innen und diverse Anbieter innovativer Lösungen zur Trauerbegleitung.

Eine Trauerfeier zu organisieren, machen die meisten Menschen eher selten. Beschreibe einmal kurz, wie sich der Ablauf der digitalen Trauerfeier gestaltet?

Gründerin Simone May von der Digitalen Trauerfeier

Gründerin Simone May spricht über über ihre Erfahrungen, ihre Visionen sowie ihre Motivation zur Digitalen Trauerfeier.

Jede Trauerfeier wird individuell mit den Auftraggebern abgestimmt. Hier führe ich ein Vortelefonat, um die Wünsche und Rahmenbedingungen zu besprechen und berate die Kunden. In der digitalen Feier begrüße ich zunächst die Gäste, stelle den Ablauf  sowie ggf. technische Aspekte vor. Dann kann ein Livestream oder ein Video-Einspieler von der analogen Bestattung gezeigt werden. Oftmals schließe ich auch direkt mit einer exklusiven Trauerrede für den Verstorbenen nach der Begrüßung an.

Entsprechend eingestimmt können die Gäste Erinnerungen teilen, indem sie Fotos zeigen oder Geschichten von berührenden Begegnungen erzählen. Ein weiterer wichtiger Programmpunkt ist die musikalische Begleitung der Veranstaltung durch einen unserer Musiker, der bzw. die exklusiv live in der Digitalen Trauerfeier auftritt. Die Stilrichtung und zum Verstorbenen passende Songs werden im Rahmen der Vorbereitung mit den Auftraggebern besprochen und ausgesucht. So veranstalten wir jeden Abschied als eine einmalige digitale Trauerfeier, die den Gästen noch lange in Erinnerung bleibt.

Menschen gehen, Erinnerungen bleiben: Wie hilft die Digitale Trauerfeier den Hinterbliebenen, besondere Erinnerungen zu schaffen?

Die Digitale Trauerfeier wird aufgezeichnet und anschließend professionell nachbearbeitet. Wir sorgen für die einwandfreie Qualität von Bild und Ton und schneiden ggf. weitere Filme oder Fotosequenzen ein. Das Video wird der Trauergemeinde anschließend passwortgeschützt zum Download im virtuellen Trauerbuch zur Verfügung gestellt. Hierbei handelt es sich um eine passwortgeschützte Unterseite auf unserer Webseite. Zusätzlich findet die Trauergemeinde hier alle wichtigen Informationen wie z. B. den Zugangslink zur digitalen Feier oder das Kondolenzbuch.

Den Blick in die Zukunft wagen. Wo siehst du die Digitale Trauerfeier in drei Jahren?

Ich glaube, dass zukünftig Bestattungszeremonien und Trauercafés öfters digital stattfinden werden. Die eigentliche Beerdigung bzw. Beisetzung wird perspektivisch vermutlich auf das Wesentliche reduziert. Zeremonielle, feierliche Elemente werden bei einem kleineren Teilnehmerkreis, wie schon in der Lockdown-Zeit, eingespart. Trauerreden und begleitende Musik werden sich vermutlich auch zunehmend auf den digitalen Raum verlagern, um bei einer Bestattung zeit- und ortsunabhängig sein zu können.

Geld ist immer eine Frage: Wer trägt die Kosten für die Feier?

Die Trauergemeinde kann sich die Kosten der Feier teilen, indem ich über unsere Website, im virtuellen Trauerbuch, eine Online-Kollekte ermöglicht. Die Gäste zahlen einen beliebigen Betrag anonym auf das von uns treuhändisch verwaltete Sammelkonto ihrer Trauerfeier ein. Die noch übliche Trauerkarte mit einem Geldschein entfällt also. Mit dem gesammelten Betrag kann dann auf Wunsch die digitale Trauerfeier finanziert werden.

Vielen Dank für das Gespräch und weiter viel Erfolg!

Das Gespräch führte Katharina Schnitzer, Orange Consulting.

13.01.2022